Mawil hat mit "Kinderland" nicht nur einen wunderbaren Comic über das Erwachsenwerden mit all seinen Großartigkeiten und Tücken geschaffen, sondern auch einen Einblick in die letzten Tage der DDR.
Mirco Watzke ist ein Schisser, eine Petze und eine
Brillenschlange. Das jedenfalls behaupten die älteren Mitschüler, die ihn auf
dem Kieker haben und vor denen er regelmäßig flüchtet. Bis er Torsten trifft.
Mirco, der mit seinen Eltern und der Schwester in Ost-Berlin
lebt, hat vor ziemlich vielen Dingen Angst, vor den älteren Mitschülern, die
ihn regelmäßig verhauen wollen und das auch regelmäßig schaffen, vor schlechten
Noten und vor allem davor, zu spät zur Schule zu kommen. Als der Bus mit dem er
zur Schule fährt eines Morgens umgeleitet wird, sieht er sich seiner größten
Angst ausgeliefert. Heulend steht er an der Bushaltestelle, als er Torsten das
erste Mal auf Torsten trifft. Torsten ist neu, vorlaut und vor allem mutig. Er
scheut nicht davor zurück, den Kindern auf dem Pausenhof das Telespiel zu
klauen, droht ihnen in regelmäßigen Abständen mit Schlägen und frühstückt noch
gemütlich wenn Mirco schon auf seinem Platz in der Schule sitzt und auf den
Unterrichtsbeginn wartet.
Torsten und Mirco, die auf den ersten Blick nicht viel
gemein haben, werden Freunde. Sie entdecken ihre Leidenschaft für Tischtennis. Doppel
wollen sie spielen, gegen die Rüpel aus der höheren Klasse und ihnen zeigen,
dass sie doch was draufhaben, dass sie doch keine Versager sind. Der Tag an dem
das Turnier stattfinden soll, ist der Tag, an dem sich die Grenzen öffnen.
Keiner außer Mirco und Torsten denkt mehr an das Turnier, alle sind mit der
Weltgeschichte beschäftigt.
Mawil erzählt von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens,
von den zarten Bänden der Freundschaft und ganz nebenbei vom Ende eines
sozialistischen Systems. Dabei mangelt es ihm nicht an Zynismus, die strenge
Lehrerin, die die Schüler zur Systemtreue erziehen soll, liest heimlich den
Spiegel. Die Lieblingsschülerin eben
jener Lehrerin und dazu Klassenbeste, die Verkörperung der Systemtreue, heißt
Angela Werkel.
"Kinderland" ist ein absolut lesenswertes Buch.
Das Erwachsenwerden endet nie, die Schwierigkeiten hören nie auf. Aber auch die
Schönheit soll nicht untergehen: Bleibt doch Kinder!
"Kinderland" ist bei Reprodukt erschienen, hat 280 Seiten und kostet 29,00 Euro.
